Unter den Talaren…

Berlin, 2. Juni 1967. Die Demonstration gegen den Persischen Schah nimmt einen fatalen Verlauf. Der Student Benno Ohnesorg wird von einem Polizisten angeschossen und verstirbt noch am selben Abend. Dies sollte für die sowieso schon unruhige Studentenmenge ein Beweis dafür sein, dass „das System“ und „die von oben“ vor keiner Gewalt schrecken würden um die Unruhen zu unterdrücken.

Die 60er: eine Zeit, in der zwei Generationen durch den Wandel der Zeit konfrontieren. Eltern, die noch mit Tugenden aus dem Nationalsozialismus groß geworden sind, treffen plötzlich auf Widerspruch bei ihren Kindern, die die Vergangenheit ihrer Eltern hinterfragen und das „verkrustete, repressive System“ nicht mehr länger dulden wollen.

Das Aufbegehren nahm seinen Lauf und wirkte durch Sprüche wie „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, „Trau keinem über 30“, „Wer zweimal mit der selben pennt, gehört schon zum Establishment“, oder „Legal-illegal-scheißegal“.

November 2009, 40 Jahre später: deutschlandweit besetzen Studenten die Hörsäle, unter anderem mit der Forderung nach Abschaffung der Studiengebühren und für eine Verbesserung der Bachelor-Studiengänge.

Kann es ein zweites ’68 geben?

Oder befinden wir uns als Studenten im Moment in einer Art politischen Lethargie? Fehlen uns etwa Ereignisse wie der Tod von Benno Ohnesorg oder die Spiegelaffäre, die das Fass zum überlaufen bringen? Empfinden wir noch keine Notwendigkeit und wollen „keine Experimente“ wagen, da es uns in dem Sinne ja nicht wirklich schlecht geht: „Einmal hat man vieles, und man kann sehr viel mitbestimmen; man kann doch leben, weitgehend, wie man will, man kann sich anziehen, wie man will, man kann Kontakte zum anderen Geschlecht haben, und, und, und…„. Unser Zweifel an Autoritäten ist nicht mehr damit begründet, dass es sich um ehemalige Führungspersonen zur Zeit des Nationalsozialismus handelt. Bis jetzt hat sich noch kein zweiter Rudi Dutschke gefunden, jemand mit außergewöhnlichen rhetorischen Fähigkeiten, der uns davon überzeugt, dass „die Parteitage den stalinistischen Parteilagern der KPdSU in den dreißiger Jahren entsprechen: keine Selbsttätigkeit von unten, nur noch Manipulation von oben“.

Lesen wir etwa zu wenig von Jean-Paul Sartre?

Auch wenn Aktionen wie das „Pudding-Attentat“ oder ein „Piss-in“ vielleicht nicht die effektivsten Methoden sind, um im politischen Geschehen ernst genommen zu werden, scheinen die Studenten in den 68ern doch einiges bewegt zu haben. Selbst im Medizinstudium hat sich etwas getan. Zeitzeugen berichten: „…wir sind ja nur nach Lehrbüchern ausgebildet worden, ohne mal am Menschen tätig zu sein, das muss man sich mal vorstellen, das ist doch unglaublich! Aber dann hieß es immer, dafür seien ja später die Medizinalassistentenjahre. Wir wollten das aber schon früher. Wir wollten nicht nur nach Lehrbüchern lernen, sondern auch mit Menschen zu tun haben. Als Folge dieser Unruhen ist dann so genanntes ‚Bedsideteaching’ eingeführt worden, wo man dann die Visite mitmachte, auf den Stationen zu viert oder zu fünft, mit dem Doktor, wo dann am Krankenbett diskutiert wurde, was der Patient hatte.“

Kann ein bisschen antiautoritäres Verhalten denn schaden?

Oder werden wir in die Richtung gehen:  „Alle, die jetzt aufgestanden sind, sollen sich widersetzen“

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