Die Wüste lebt (kann nach diesem Beitrag eine ganz andere Bedeutung bekommen)

Ich bin mir sicher, jeder kennt diese Phasen: Der Körper fühlt sich schlapp und auch der Geist fühlt sich für nichts mehr aufnahmefähig. Doch irgendeine höhere Macht macht uns das Einschlafen unmöglich. Somit werden wir unterschwellig dazu verführt den Fernseher einzuschalten. Wir überspringen Sender über Sender, doch bei gewissen Sendern halten wir für einen paar Sekunden länger inne und schalten dann schnell zum nächsten während wir uns selbst einreden, dass wir nicht die Art von Person sind, die sich „solche Sendungen“ ansieht.

 

So ging es auch mir letzten  Mittwoch. Lange Zeit versuchte ich mich dazu zu überwinden, wenigstens CNN zu schauen. Wenige Minuten später war ich bereits bei den „Verzweifelten Hausfrauen“ angelangt, doch als diese von der Werbung unterbrochen wurden, verließ mich jegliche tugendhafte Erziehung und ich geriet ins „Unterschichtenfernsehen“. Und das schlimmste in diesen Sendungen: Es ist wie ein Unfall – es ist grausam, aber man kann einfach nicht wegschauen.

 

Was genau verursacht diese magische Anziehungskraft, die uns einfach nicht wegschalten lässt?

 

Nun, vielleicht hilft es ja, wenn ich mir genauere Gedanken über das mache, was ich mir angeschaut habe. Die Sendung, (deren Name so außergewöhnlich gewesen sein musste, sodass er mir bereits entfallen ist) zeigte schwererziehbare Jugendliche, die für drei Monate in die Wüste irgendwo in Amerika geschickt werden. An sich schon mal ne ziemlich Dufte Idee – Jedes Mal wenn der Heathvillian-Bus die Hauptschule erreicht, wünsche ich mir auch ungefähr die Hälfte aller Insassen ganz, ganz weit weg. Aber auch nicht alle wohlgemerkt: Die Busfahrt wäre nur halb so spannend ohne naturkundliche Themen, wie: „Also pass auf ja, dein Hirn, ne, das is wie so nen Rechner – wenn das einmal kaputt geht, dann formatierst de das und dann funktioniert das wieda“. Die Insassen des Heathvilian-Busses werden Tag für Tag vor kontroverse Fragen gestellt und manchmal, aber auch nicht immer, finden wir Antworten. („Alter, was machst du in meinem Bus?“ – „Wenn ich vorhin nicht die Tüte gezogen hätte, wüsste ich das jetzt noch…“).

Nun gut, über den Bus will ich eigentlich gar nicht reden, da dieser schon ein Thema für sich ist.

 

Kommen wir zu den Insassen, die ich mir ganz weit weg wünsche:

Schwererziehbare Jugendlich werden mit „Super-Pädagogen“ in die Wüste geschickt – super Idee, denn zwei verschiedene Ladungen, ziehen sich ja sowieso gegenseitig an – Somit könnte man die Sendung auch mit einem „Liebesdrama was zum denken anregen soll“ gleichsetzten.

Es ist die My Fair Lady Version für das Pädagogenherz.

Die vernachlässigten Jugendlichen werden zunächst in ihrer natürlichen Umgebung gezeigt.

Sie leiden unter dem Druck ihrer (Stief-)Eltern. („Pascal, kommst du bitte essen?“ – „Nein, Schlampe!“ – „Pascal, deine Mutter ist keine Schlampe“ – „Lass mich in Ruhe du Fotze!“).

Eine lebenswichtige Bildung wird ihnen komplett vorenthalten („Mmmh—also  ich merk schon, dass die Drogen mich irgendwie dümmer machen. Ich weiß jetzt aba nisch ob das nua am Haschischsch licht, oder ob das nua so dumm macht, wenn man das in Verbindung mit Ecstasy nimmt…. Nö… das is schon scheiße…!“).

Diese kleinen Eliza Doolittles werden nun von ihren pädagogischen Helden gerettet und in die paradiesische Wüste Utahs gebracht um dort neu eingekleidet zu werden und auf die High Society vorbereitet zu werden. („Ich will den scheiß Hut nicht anziehen“ – „Wenn du dich wie ein Kind verhältst, dann müssen wir dich auch wie ein Kind behandelt. Also entweder du setzt den Hut auf, oder du gehst ins stille Zelt!“). Der Weg durch die Wüste ist voller Emotionen und nach jedem Wandern, müssen die Jugendlichen ein Gefühl, was sie empfinden nennen. („Scheiße“ – „Scheiße ist kein Gefühl. Würdest du uns bitte ein Gefühl nennen?“ – „Scheißöööööööö!“ – „Es tut mir Leid, dass ich es dir jetzt zum zweiten Mal sagen muss, aber Scheiße ist kein Gefühl, sondern ein Exkrement“ – „Man isch find das alles scheiße und ich fühl mich scheiße!!!“ – „Sehr gut Jennifer, so kannst du das sagen: du „fühlst dich scheiße“). Zu Beginn wissen die Jugendlichen die guten Taten ihrer Helden nur noch nicht zu schätzten und versuchen als „Masters of Camouflage“ mit einem Rucksack, der größer ist als sie selbst, mitten in der Wüste zu entkommen. Unerklärlich werden sie doch immer wieder aufgespürt und davon überzeugt, dass es besser für sie sei das Projekt durchzuziehen. („Pascal, wo willst du denn hinlaufen? Die nächste Stadt ist 100km entfernt.“ – „Na isch lauf jetzt erstmal einfach geradeaus und irgendwann werd ich dann schon irgendwo rauskommen“ –„ Und was machst du dann, wenn du in der nächsten Stadt angekommen bist? Du hast doch gar kein Geld dabei. Willst du über den Atlantik nachhause schwimmen?“). Das ganze endet natürlich damit, dass die meisten Jugendlichen eingesehen haben, dass sie etwas an ihrem Lebensstil ändern müssen.

 

Im tiefsten Sinne handelt es sich also bei den Sendungen, die ich zuvor als „Unterschichtenfernsehen“ bezeichnete um tiefgehende Liebesdramen, welche voller psychologischer und pädagogischer Überzeugungskraft stecken und wenn wir jetzt einmal ohne Ironie sprechen: Amerikanische Schmonzetten sind nicht wirklich viel anspruchsvoller.

 

 

P.S.: Seht euch den neuen Film von Tim Burton an – es gibt nichts besseres als skurile Filme (weshalb ich Tim Burton Filme einfach ziemlich genial finde)

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